interview
interviewer:
Simone Kaempf
2006-08-13
Tim Brauns
interviewer:
Simone Kaempf
2006-08-13
Tim Brauns
Wie würden Sie jemand anderem ihren job erklären?
Wenn man sagt, man sei "Designer", wird selten nachgefragt. Die Leute wissen sofort, was man macht, glauben es zu wissen oder packen einen in eine Schublade. Wenn ich aber sage, in bin bei e27, kommt die Frage, was das denn sei. Dann kann man die Antwort in die Richtung lenken, die gerade passt. Denn wir machen alles im Bereich der Gestaltung. Wir sind keine Produktgestalter, keine Grafik-Designer, keine Medien-Gestalter und keine Internet-Bude. Wir machen alles im Bereich Gestaltung. Was uns ausmacht - und das haben wir explizit bei ID4 gelernt - ist die Herangehensweise an ein Projekt. Und deswegen definiert sich auch unser Beruf en detail immer wieder neu. Als wir uns selbstständig machten, entdeckten wir den Reklame-Spruch im Osram-Katalog: "Immer gutes Licht mit e27". e27 bezeichnet die Fassung einer Glühbirne. Man kann das ausweiten: als Schnittstelle zwischen Strom und Licht, dass eine Umsetzung passiert, die Transformation einer Sache in einen anderen Zustand, von der Idee zum Produkt. Als wir e27 gründeten, steckten wir noch im Studium am ID4. Unseren ersten Auftrag für ein Krankenhaus in Leipzig haben wir doppelt aufbereitet: einmal für den Kunden und dann freier und aufgedrehter fürs ID4. Wir haben dann weiter versucht, und versuchen es immer noch, die Vorteile beider Wege zu nutzen.
was fällt ihnen zu der zeit und den umständen spontan ein?
Der Modellstudiengang war die logische Fortsetzung der Lehre. Wir sind an die Uni gekommen und hatten ein ganz klares Bild von dem, was wir machen wollten, nämlich Produktdesign, und dieses Bild wurde bereits im Grundstudium durcheinandergewürfelt. Roericht hat die Lehre immer wieder aufgebrochen. Und das gleiche, was er mit den Studenten gemacht hat, hat er dann auch mit der Uni gemacht: das Verständnis verändern, wie man Produktdesign studiert, wie man lernt, welche Methoden man benutzt, wie man seine Herangehensweise definiert. Als wir die Flying students übernommen haben, machten wir bei e27 alles zu dritt. Das war ein Luxus für die Studenten und natürlich ziemlich zeitraubend. Die Auseinandersetzung, wer von uns welche Rolle übernimmt, und wer welche Verantwortung übernimmt, kam erst später aus dem Büroalltag heraus. Vielleicht, weil wir alle drei gerne kommuniziert haben.
besonderheiten der studenten-generation, mit der sie zu tun hatten?
Man muss das im Kontext sehen, z.B. dem, dass die Ausbildung der Flyings und Transiteure in Berlin stattgefunden hat. Und dass es im Alter von Anfang zwanzig einer gewissen Motivation und Freiheit bedarf, um zu so einem Weg aufzubrechen. Für uns hatte das den Vorteil, dass die Studenten schnell Verantwortung übernommen haben. Viele von denen, die beteiligt waren, zeichnet eine freie Denke aus. Nicht immer ist es glatt, wie sie Projekte angehen, aber es gibt eine Furcht- und Respektlosigkeit gegenüber dem Bestehenden - was eine Motivation ist, um auf neue Wege zu kommen.
übereinstimmungen / inspirationen / reibungen an nick roerichts positionen?
Roericht hatte seinen Studiengang so aufgebaut, dass er Oberhand behielt und eine Reihe von Spezialisten einlud. Wegen dieser Arbeitsweise habe ich erst sehr spät einen Zugang zu ihm gefunden bzw. er zu mir. Das war am Anfang nicht die Ebene, die man sich mit seinem Professor wünscht, weil zuviel über Dritte kommuniziert wurde. Was das bedeutet, als wir dann von ihm die Flying Students und Transiteure aufgenommen haben? Dass ich ein paar Sachen änderte, die mir nicht so gut gefallen haben. Ich habe versucht, den Studenten Freiheit zu lassen, aber dennoch Nähe und eine gewisse Auseinandersetzung zu suchen; Ansprechpartner zu sein, auch jetzt bei meinen Studenten in Bozen.
was würden sie im nachhinein, angenommen die zeitreise wäre bei gleicher ausgangslage möglich, anders machen?
Anders ja, auch wenn ich jetzt nicht mehr beurteilen kann, was. Wir hatten viele Limitierungen, u.a. dass das Ganze eine Weiterentwicklung von ID4 war und dann, dass überhaupt kein Geld mehr da war. Wegen der rigiden Sparmaßnahmen gab es nicht mal Geld für Kopierpapier. Es war plötzlich nichts mehr da, so dass man aus der Not eine Tugend gemacht hat und Projekte auch aufbohrte. Für die Fahrt nach Frankreich kümmerte sich dann eben eine Studentengruppe darum, wie man Gelder vom Institut Francais bekam. Wenn ich heute nach Bozen fahre, sehe ich dort die tollsten und best-ausgestatteten Werkstätten. Nur wenn der Meister nicht da ist, sind die Studenten nicht imstande ihre Arbeit alleine zu machen. Dazu muss man natürlich sagen, dass sie noch jünger sind und eben Italiener. Heißt, die mögen ihr Familiendasein sehr gerne.
kontakt / zusammenarbeit mit damaligen mitmachern und ID4lern?
Guter Kontakt zu ein paar Leuten, die bei der Sache sind. Zusammenarbeit teilweise für Ausstellungen und Berlin-Design-Präsentationen, sonst aber nicht. Zuletzt haben die Studenten von Weizenegger aus Kassel und meine aus Bozen auf der "Entry" in Gelsenkirchen zusammen ein Projekt ausgestellt.
wie hat sich, seit sie arbeiten/lehren, das verhältnis des entwerfers zum handwerkszeug verändert?
Als wir anfingen, gab es noch keine Computer. Das Handwerkszeug hat sich komplett verändert. Und durch neue Produktionsmethoden lassen sich größere Massen individuell herstellen. Früher gab es Produktlinien in der Automobilindustrie, da wurden drei Autolacke angeboten. Heute dauert es statistisch drei Wochen, bis überhaupt wieder das ausstattungsgleiche Fahrzeug vom Band kommt. Was ich daran spannend finde: Man kommt wieder in Situationen, als ob man einen Tischlermeister bitten würde, einen Tisch nach den eigenen Vorstellungen zu bauen. Auf geht das mit anderen Gestaltungsmöglichkeiten.
sehen sie die disziplin design mittlerweile übergehen, mutieren, sich entwickeln in andere formen und ausrichtungen?
Grundsätzlich eine schwere Frage. Man kämpft immer mehr, man kämpft auch damit, dass die Qualität überall besser wird. Ich habe ganz gute Ahnung von Design, aber dann sehe ich auf dem Flohmarkt einen Klassiker, oder was ich dafür halte, und es steht darunter "Made by Ikea". Es wird schwieriger, eine gute Gestaltung zu machen und sich trotzdem abzugrenzen von der gigantischen Vielfalt.
Knüpfen Sie daran Hoffnungen oder Befürchtungen?
Hoffnung entsteht durch Befürchtungen. Wenn alles so vielfältig ist, wie ich es eben beschrieben habe, gibt es auch viele Nischen. Wir versuchen nichts anderes mit e27: dass die Produkte mit einem kommunizieren, dass sie ein Augenzwinkern haben und ein Lächeln hervorrufen - wenn man das bei einem Produkt schafft, ist das schon eine Art von Kommunikation, die eine gute ist. Die Großindustrie kann damit nicht arbeiten, weil das zu nischen-behaftet ist.
Was kann man tun, um Designer nicht nur für heute, sondern auch für die nächsten Jahrzehnte ihres Berufslebens auszubilden?
Das Gleiche wie vor zehn Jahren, als ich mit der Ausbildung fertig wurde. Das gleiche wie bei Roericht: Neugierde bewahren, man muss beobachten können, man muss objektiv sein können, aber subjektiv handeln, sich also auch durchsetzen können. Das ist auch etwas, was ich in Bozen lehre. Ich habe eine Professur bzw. Projektleiterstelle, und zur Zeit beschäftigt sich mein Projekt mit Design-Interventionen in der Stadt. Ich kann den Studenten keine guten Ideen beibringen, die muss jeder für sich finden, aber ich kann versuchen, eine Plattform zu bilden.
Worauf können Sie leicht verzichten?
Ich kenne viele Sachen, auf die ich nicht verzichten möchte. Ich schreibe gerade ein Buch über Flohmärkte, über die ich mindestens zwei Mal pro Woche schlendere, und das möchte ich nicht missen. Jeder Designer ist auch ein Sammler, aber die Art und Weise, wie er das tut, macht den Unterschied. Fax Quintus sagt zum Beispiel, jedes Ding möchte etwas von Dir. Ich sage, jedes Ding erzählt Dir eine Geschichte.
Wenn man sagt, man sei "Designer", wird selten nachgefragt. Die Leute wissen sofort, was man macht, glauben es zu wissen oder packen einen in eine Schublade. Wenn ich aber sage, in bin bei e27, kommt die Frage, was das denn sei. Dann kann man die Antwort in die Richtung lenken, die gerade passt. Denn wir machen alles im Bereich der Gestaltung. Wir sind keine Produktgestalter, keine Grafik-Designer, keine Medien-Gestalter und keine Internet-Bude. Wir machen alles im Bereich Gestaltung. Was uns ausmacht - und das haben wir explizit bei ID4 gelernt - ist die Herangehensweise an ein Projekt. Und deswegen definiert sich auch unser Beruf en detail immer wieder neu. Als wir uns selbstständig machten, entdeckten wir den Reklame-Spruch im Osram-Katalog: "Immer gutes Licht mit e27". e27 bezeichnet die Fassung einer Glühbirne. Man kann das ausweiten: als Schnittstelle zwischen Strom und Licht, dass eine Umsetzung passiert, die Transformation einer Sache in einen anderen Zustand, von der Idee zum Produkt. Als wir e27 gründeten, steckten wir noch im Studium am ID4. Unseren ersten Auftrag für ein Krankenhaus in Leipzig haben wir doppelt aufbereitet: einmal für den Kunden und dann freier und aufgedrehter fürs ID4. Wir haben dann weiter versucht, und versuchen es immer noch, die Vorteile beider Wege zu nutzen.
was fällt ihnen zu der zeit und den umständen spontan ein?
Der Modellstudiengang war die logische Fortsetzung der Lehre. Wir sind an die Uni gekommen und hatten ein ganz klares Bild von dem, was wir machen wollten, nämlich Produktdesign, und dieses Bild wurde bereits im Grundstudium durcheinandergewürfelt. Roericht hat die Lehre immer wieder aufgebrochen. Und das gleiche, was er mit den Studenten gemacht hat, hat er dann auch mit der Uni gemacht: das Verständnis verändern, wie man Produktdesign studiert, wie man lernt, welche Methoden man benutzt, wie man seine Herangehensweise definiert. Als wir die Flying students übernommen haben, machten wir bei e27 alles zu dritt. Das war ein Luxus für die Studenten und natürlich ziemlich zeitraubend. Die Auseinandersetzung, wer von uns welche Rolle übernimmt, und wer welche Verantwortung übernimmt, kam erst später aus dem Büroalltag heraus. Vielleicht, weil wir alle drei gerne kommuniziert haben.
besonderheiten der studenten-generation, mit der sie zu tun hatten?
Man muss das im Kontext sehen, z.B. dem, dass die Ausbildung der Flyings und Transiteure in Berlin stattgefunden hat. Und dass es im Alter von Anfang zwanzig einer gewissen Motivation und Freiheit bedarf, um zu so einem Weg aufzubrechen. Für uns hatte das den Vorteil, dass die Studenten schnell Verantwortung übernommen haben. Viele von denen, die beteiligt waren, zeichnet eine freie Denke aus. Nicht immer ist es glatt, wie sie Projekte angehen, aber es gibt eine Furcht- und Respektlosigkeit gegenüber dem Bestehenden - was eine Motivation ist, um auf neue Wege zu kommen.
übereinstimmungen / inspirationen / reibungen an nick roerichts positionen?
Roericht hatte seinen Studiengang so aufgebaut, dass er Oberhand behielt und eine Reihe von Spezialisten einlud. Wegen dieser Arbeitsweise habe ich erst sehr spät einen Zugang zu ihm gefunden bzw. er zu mir. Das war am Anfang nicht die Ebene, die man sich mit seinem Professor wünscht, weil zuviel über Dritte kommuniziert wurde. Was das bedeutet, als wir dann von ihm die Flying Students und Transiteure aufgenommen haben? Dass ich ein paar Sachen änderte, die mir nicht so gut gefallen haben. Ich habe versucht, den Studenten Freiheit zu lassen, aber dennoch Nähe und eine gewisse Auseinandersetzung zu suchen; Ansprechpartner zu sein, auch jetzt bei meinen Studenten in Bozen.
was würden sie im nachhinein, angenommen die zeitreise wäre bei gleicher ausgangslage möglich, anders machen?
Anders ja, auch wenn ich jetzt nicht mehr beurteilen kann, was. Wir hatten viele Limitierungen, u.a. dass das Ganze eine Weiterentwicklung von ID4 war und dann, dass überhaupt kein Geld mehr da war. Wegen der rigiden Sparmaßnahmen gab es nicht mal Geld für Kopierpapier. Es war plötzlich nichts mehr da, so dass man aus der Not eine Tugend gemacht hat und Projekte auch aufbohrte. Für die Fahrt nach Frankreich kümmerte sich dann eben eine Studentengruppe darum, wie man Gelder vom Institut Francais bekam. Wenn ich heute nach Bozen fahre, sehe ich dort die tollsten und best-ausgestatteten Werkstätten. Nur wenn der Meister nicht da ist, sind die Studenten nicht imstande ihre Arbeit alleine zu machen. Dazu muss man natürlich sagen, dass sie noch jünger sind und eben Italiener. Heißt, die mögen ihr Familiendasein sehr gerne.
kontakt / zusammenarbeit mit damaligen mitmachern und ID4lern?
Guter Kontakt zu ein paar Leuten, die bei der Sache sind. Zusammenarbeit teilweise für Ausstellungen und Berlin-Design-Präsentationen, sonst aber nicht. Zuletzt haben die Studenten von Weizenegger aus Kassel und meine aus Bozen auf der "Entry" in Gelsenkirchen zusammen ein Projekt ausgestellt.
wie hat sich, seit sie arbeiten/lehren, das verhältnis des entwerfers zum handwerkszeug verändert?
Als wir anfingen, gab es noch keine Computer. Das Handwerkszeug hat sich komplett verändert. Und durch neue Produktionsmethoden lassen sich größere Massen individuell herstellen. Früher gab es Produktlinien in der Automobilindustrie, da wurden drei Autolacke angeboten. Heute dauert es statistisch drei Wochen, bis überhaupt wieder das ausstattungsgleiche Fahrzeug vom Band kommt. Was ich daran spannend finde: Man kommt wieder in Situationen, als ob man einen Tischlermeister bitten würde, einen Tisch nach den eigenen Vorstellungen zu bauen. Auf geht das mit anderen Gestaltungsmöglichkeiten.
sehen sie die disziplin design mittlerweile übergehen, mutieren, sich entwickeln in andere formen und ausrichtungen?
Grundsätzlich eine schwere Frage. Man kämpft immer mehr, man kämpft auch damit, dass die Qualität überall besser wird. Ich habe ganz gute Ahnung von Design, aber dann sehe ich auf dem Flohmarkt einen Klassiker, oder was ich dafür halte, und es steht darunter "Made by Ikea". Es wird schwieriger, eine gute Gestaltung zu machen und sich trotzdem abzugrenzen von der gigantischen Vielfalt.
Knüpfen Sie daran Hoffnungen oder Befürchtungen?
Hoffnung entsteht durch Befürchtungen. Wenn alles so vielfältig ist, wie ich es eben beschrieben habe, gibt es auch viele Nischen. Wir versuchen nichts anderes mit e27: dass die Produkte mit einem kommunizieren, dass sie ein Augenzwinkern haben und ein Lächeln hervorrufen - wenn man das bei einem Produkt schafft, ist das schon eine Art von Kommunikation, die eine gute ist. Die Großindustrie kann damit nicht arbeiten, weil das zu nischen-behaftet ist.
Was kann man tun, um Designer nicht nur für heute, sondern auch für die nächsten Jahrzehnte ihres Berufslebens auszubilden?
Das Gleiche wie vor zehn Jahren, als ich mit der Ausbildung fertig wurde. Das gleiche wie bei Roericht: Neugierde bewahren, man muss beobachten können, man muss objektiv sein können, aber subjektiv handeln, sich also auch durchsetzen können. Das ist auch etwas, was ich in Bozen lehre. Ich habe eine Professur bzw. Projektleiterstelle, und zur Zeit beschäftigt sich mein Projekt mit Design-Interventionen in der Stadt. Ich kann den Studenten keine guten Ideen beibringen, die muss jeder für sich finden, aber ich kann versuchen, eine Plattform zu bilden.
Worauf können Sie leicht verzichten?
Ich kenne viele Sachen, auf die ich nicht verzichten möchte. Ich schreibe gerade ein Buch über Flohmärkte, über die ich mindestens zwei Mal pro Woche schlendere, und das möchte ich nicht missen. Jeder Designer ist auch ein Sammler, aber die Art und Weise, wie er das tut, macht den Unterschied. Fax Quintus sagt zum Beispiel, jedes Ding möchte etwas von Dir. Ich sage, jedes Ding erzählt Dir eine Geschichte.