interview

interviewer:
marion godau
2003-10-31


protraitbild

Claudia Plikat
wie wuerdest du jemand anderem deinen job erklaeren?
Momentan arbeiten wir bei 7.5 an einer sich selbst einstellenden Synchron- Mechanik für den Drehstuhl Mirra (Herman Miller). Das Prinzip: Man setzt sich und wird automatisch ”eingewogen”. Der Stuhl passt sich dann ans Individuum an. Daneben arbeiten wir an Erweiterungen für den Mirra für den Sektor Konferenz.

welche arbeiten oder auch ereignisse waren besonders wichtig fuer dich?
Da Designer von Natur aus mit einem besonders hohen Maß an Neugier ausgestattet sind, kann ich hier keinen speziellen Bereich nennen. Mich interessiert die ganze Spanne dessen, was man unter dem Begriff Design fasst. Deshalb arbeiten wir bei 7.5 auch an sehr verschiedenartigen Projekten unsere Spanne reicht von Interface Design bis hin zur klassischen Produktentwicklung. Unsere Triebfeder bei all diesen Projekten ist, Probleme zu lösen und permanent dazuzulernen, das heißt unser Repertoire zu erweitern. Wir sind da in unserer Arbeitsweise sehr von Nick Roericht geprägt: Wir stellen erst das Briefing Êin Frage um festzustellen, wo dem Klienten wirklich der ”Schuh drückt” und wir gehen von innen nach außen vor, von dem technischen Innenleben zur Gestalt, und wir abstrahieren die Funktionalität (nicht Rasenmäher, sondern Rasen kürzen). Dann fragen wir uns: Wie sieht die Welt in 5 oder 10 Jahren aus? Ist unser Entwurf dann noch mit veränderten Lebens- und Arbeitswelten kompatibel ?

mit wem bist du so in verbindung oder mit wem arbeitest du zusammen?
7.5: Nicolai Neubert, Burkhard Schmitz, Claudia Zwick und Roland Zwick.

triffst du noch ehemalige id4ler oder arbeitest du mit ihnen zusammen?
Wir sind im Büro drei aus demselben Semester und einer, der vorher bei ID4 studiert hat. Ansonsten haben wir zu Ehemaligen losen Kontakt. Wir tauschen z.B auch Praktikanten aus. Mehr Möglichkeiten zur Zusammenarbeit gab\’s bisher leider nicht. Es gibt aber auch keine negative Konkurrenz.

woran oder wo wuerdest du gerne arbeiten? was wuerde dich reizen?
Mit einem Unternehmen wie Herman Miller weiter zusammenzuarbeiten, weil solche Firmen ein Reservoir haben, dass eine Kooperation extrem interessant macht. Mich würde nach dem Stuhl (Mirra) ein System interessieren. Fragen der Zonierung, Raumplanung und Raumlayout wären hier spannend, denn schon der heutige Stand der Technik macht vollkommen andere Arbeitswelten denkbar.

wer oder was inspiriert dich/bewunderst du im moment? wer oder was bringt dich auf ideen und turnt dich an?
Mich inspirieren z.B. solche Designerpersönlichkeiten wie Charles und Ray Eames. Aufgrund des breiten Spektrums ihrer Arbeiten wurden sie nicht betriebsblind. Wir inspirieren uns in der Struktur die wir haben gegenseitig. Das ist das Besondere an 7.5.: das Klima inspiriert. Und wir pflegen ein gutes Netzwerk zu ehemaligen Studenten. Dadurch werden Themen an uns herangetragen. Wir betrachten uns als lebenslange Studierende.

was faellt dir als erstes ein, wenn du an dein studium im id4 denkst?
Während des Studiums war ich manchmal unglücklich darüber, dass es sehr konzeptionell und theoretisch ausgerichtet war. Im Nachhinein sehe ich das als enorm großen Vorteil, denn ich denke während des Studiums sollte es um das Erproben verschiedenster Methoden gehen, mit denen man sich komplexen Fragestellungen nähern kann. Das für den Beruf auch nötige ”Handwerkszeug” eignet man sich später besser anhand von konkreten Fragestellungen an. Nick Roericht hatte interessante Methoden, wie man sich selbst überwinden und zu neuen Ansätzen kommen kann.

was hat dir für die praxis am meisten gebracht?
Ein Projekt fand ich ganz schrecklich, das hat aber sehr viel gebracht. Es war ein Projekt für Nixdorf und war unter dem Titel ”Neue Formen der Übereignung” thematisiert. Das Projekt dauerte insgesamt drei Semester und hat mehrere Assistenten verschlissen. Bei jedem Wechsel kam es mir so vor, als seien wir in einer neuen Sackgasse gelandet. Doch durch die jeweils anderen Herangehensweisen lernten wir die gesamte Klaviatur, die Design zur Verfügung hat. Es war erstens eine sehr gute Übung, sich einem Problem auf unterschiedliche Weisen anzunähern. Deshalb war es am Ende ein sehr gutes Projekt. Rückblickend hätten wir die fünf Jahre mit Herman Miller ohne solche Projekterfahrungen vielleicht nicht überlebt, denn wir lernten auch Durchhaltevermögen. Eine gute Idee nutzt nichts, wenn man sie nicht auf die Strasse bringt. Deshalb braucht man Biß. Zweitens lernten wir, in Alternativen zu denken. Also mehrere Alternativen weiter zu treiben, um zu sehen, welche die gangbarste, vielversprechenste Lösung ist. Auch das ist essenziell für jede Form von Produktentwicklung.

welche lehr-ansätze von id4 funktionieren für dich noch? oder vielleicht gerade heute?
Immer in Alternativen zu denken ist ganz wesentliche Grundlage für Designer, egal ob sie zwei- oder dreidimensionale oder digitale Arbeiten machen. Deshalb würde ich nach der ”Nickschen Methode” zunächst die ersten ”Lieblingsideen” einsammeln, damit jeder anschließend wieder unbefangen genug ist, um alternative Lösungsansätze zu entwickeln. Denn im Designprozess kommt man immer wieder in die Situation, lieb gewonnene Entwürfe verwerfen zu müssen. Wenn man sich seine Naivität und Unbefangenheit bewahrt, kommt man leichter zu neuen Lösungen. Und Biss zu entwickeln - das ist auch sehr wichtig.